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Reif für die Kochinsel Der Begriff „Frischfleisch“ suggeriert, dass Frische zu den höchsten Tugenden in der Fleischtheke zählt. Das ist im Prinzip natürlich richtig – aber nur fast. Denn während etwa Faschiertes gar nicht frisch genug sein kann, sieht die Sache bei einem saftigen „Dry Aged“ Steak schon ganz anders aus. Und sogar Schweinefleisch erreicht erst durch eine gewisse Reifung seine beste Qualität. Tatsächlich ist dieser Reifungsprozess für alle Fleischsorten essentiell – sogar Fisch ist fangfrisch noch nicht so delikat wie am nächsten Tag und auch bei Schweinefleisch hat man besser ein paar Tage Geduld, bevor der Braten ins Rohr kommt. Sehr vereinfacht gesagt, entspannt die fachgerechte Lagerung von frischem Fleisch nämlich dessen Fasern und macht sie mürber, während sich das Aroma dabei erst richtig entwickelt. Und auch die Safthaltigkeit wird deutlich verbessert. Denn hinreichend lange gereiftes Fleisch hat eine weitaus größere Wasserbindungsfähigkeit als frisches, gart schneller und bleibt saftig. Besonders relevant ist die Reifung bekanntlich für Rindfleisch und hier vorzugsweise für viele populäre Teilstücke zum Kurzbraten und Grillen, die man früher nur im Schmor oder Suppentopf kannte. Sie profitieren am deutlichsten von den enzymatischen Prozessen. Dagegen ist die Reifung eines von Natur aus zarten Filets eigentlich überflüssig. Am wichtigsten sind bei Rindfleisch die ersten sieben Tage der Reifung, denn in dieser Zeit sind die stärksten Veränderungen zu registrieren, danach flacht dieser Prozess allmählich ab. Bei Schweinefleisch hingegen sind es die ersten vier Tage, die man auf jeden Fall abwarten sollte, mehr geht aber auch hier. Zwar ist die Reifung bei Schweine fleisch bei weitem nicht von der gleichen Bedeutung wie am Rindfleischsektor, doch wird „Frischfleisch“ im engeren Sinn des Wortes von Topköchen und anderen Eingeweihten auch hier weitgehend gemieden. Denn die ersten paar Tage nach der Schlachtung ist das Fleisch fürs Kurzbraten und Grillen schlicht völlig ungeeignet – das Fleisch wird trocken und hart. Wohl auch aus diesem Grund kennt der in Österreich weit verbreitete Brauch des „Sautanzes“ bzw. „Schlachtfestes“ nur LangzeitGarmethoden, die das Reifungsdefizit kompensieren. Die Reifungsmethoden. Einst ließ man alle Schlachthälften oder Teilstücke im Kühlhaus einfach „abhängen“, erst in den 1970ern setzte sich die Reifung im Vakuumbeutel durch. Risiko ärmer, hygienischer und vor allem ohne nennenswerte Gewichtsverluste ist dieses sogenannte „Wet Aging“ heute die häufigste Methode und auch gar nicht falsch, wenn man es richtig macht – und nicht zu lange. Denn die anaerobe Reifung im Folienbeutel birgt die Gefahr, dass sich Milchsäurebakterien nach mehr als zwei bis drei Wochen geschmacklich bemerkbar machen und das Fleisch einen dumpfen SauerkrautTon bekommt. Bei Steaks, die viele Wochen lang per Schiff aus Lateinamerika nach Europa schwimmen, ist dieser Effekt recht oft zu schmecken. Inzwischen wurde die althergebrachte Methode der Trockenreifung im Kühlhaus aber wiederentdeckt und machte als „Dry Aging“ in den Steakhäusern rund um den Globus eine große ComebackKarriere. Und tatsächlich ist ein perfekt am Knochen trocken gereiftes Steak oder Kotelett eine wunderbare Sache, frisch und intensiv im Fleischgeschmack, zart im Biss. Wenn so ein Dry Aged Beef oder Pork allerdings ein wenig seltsam schmeckt, war es zu viel des Guten, oder aber wurde zu wenig weggeschnitten. Denn durch die Abtrocknung und die abschließende groß 46
ama grillclub Der Reifungsprozess Reifungsmethoden im Vergleich (von links nach rechts): Reifung in der Holzasche, Dry Aging, Aqua Aging, weitgehend ungereift. zügige Entfernung der dunklen, verhärteten Ober fläche verliert ein Teilstück zwischen 25 und 50% seines Gewichtes. Es gibt jedoch auch noch andere Reifungsmethoden, die mehr oder weniger erfolgversprechend sind. Etwa in Mineralwasser (Aqua Aging), unter hohem Luftdruck oder aber eingegossen in Rinderfett. Letzteres haben wir selbst einmal ausprobiert und können dies auch „HobbyMaturanten“ durchaus empfehlen. Voraussetzung sind allerdings penible Hygiene und tiefe Lagertemperaturen so um die 12°C, sonst gibt es beim Auspacken böse Überraschungen. Auch das klassische Beizen von Fleisch in säurehaltigen Marinaden oder sogar die Reifung in speziell für die Kühlschrankreifung entwickelten, perforierten Beuteln lohnt für experimentierfreudige Naturen. Der Test. Wir haben die Auswirkungen ausgiebiger Reifung auch bereits selbst ausprobiert und vom Fleischer meister Franz Hofmann 26 Tage trocken gereiftes Fleisch vom Weinviertler Strohschwein gegen frisches verkostet, das diese Zeitspanne in der Tiefkühltruhe verbracht hatte, wo Fleischreifung ja nicht stattfinden kann. Den größten Unterschied zwischen „Dry Aged Pork“ und ungereiftem Strohschwein haben wir dabei im Geschmack festgestellt. Das Fleisch mit 26 Tagen KühlhausGeschichte war überraschenderweise zugleich reiner und intensiver im Fleischaroma, kein bisschen ranzig oder muffig, sondern mit einem sympathischen, leicht nussigen Geschmack, der durch die Bank als besonders angenehm wahrgenommen wurde. Von der Textur und der Zartheit her war das gereifte Fleisch dem frischen ebenfalls überlegen, wenn auch nicht überall mit jener Deutlichkeit, die wir von Rinder steaks her kennen. Bei der Karreerose waren die Unter schiede im Biss aber sehr deutlich erkennbar. Die Reifeprüfung. Es gibt eine ganz einfache Methode, den Reifegrad zu überprüfen – auch durch die Plastikhaut einer SBPackung hindurch: Drücken Sie einfach mit dem Finger eine Mulde in die Schnittfläche des Fleisches. Bleibt diese Mulde, wie sie ist, hat das Fleisch den richtigen Reifegrad. Ist hier aber noch Elastizität zu bemerken, ist eher noch Geduld angesagt. Nach der Schlachtung stellt sich der Stoffwechsel in den Muskelzellen um. Weil die Blutversorgung und somit die Sauerstoffversorgung abbricht, verlaufen diese enzymatischen Prozesse nun unter anaeroben Bedingungen. In den Muskelzellen wird das gespeicherte Glykogen zu Milchsäure abgebaut, dabei sinkt der pH-Wert bei Rindfleisch von über 7 auf unter 5,8 und das für entspannte Fasern zuständige ATP (Adenosintriphosphat) kann nicht mehr gebildet werden – die Totenstarre tritt ein, also maximale Festigkeit und minimales Wasserbindungs vermögen. Würde man dieses Stück Fleisch jetzt braten, wäre es sehr trocken, zäh und säuerlich im Geschmack, also eigentlich ungenießbar. Jetzt ist die richtige Temperaturführung für die Rinder hälften wichtig, um das Fleisch nicht für alle Zeiten zu verderben. Am Anfang darf es daher nicht ganz so kalt sein, damit die Enzyme richtig in Gang kommen, danach aber wird das Fleisch auf wenig über 0°C heruntergekühlt und die Luft stetig in Zirkulation gehalten. Enzyme wie Cathepsine und Calpaine bewirken jetzt ein Lösen der verhärteten Muskelfaserstrukturen und sorgen damit für zunehmende Zartheit. Auch das Wasserbindevermögen nimmt während der zweiten Phase der Fleischreifung wieder zu und der Geschmack des Fleisches verbessert sich stark. Denn die Enzyme spalten Glykogen in Glukose, Fette in Fettsäuren sowie Proteine in Aminosäuren. Letztere wirken wie natürliche Geschmacksverstärker und sorgen für das typische „Umami“ gut gereiften Rindfleisches. 47
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